„Rehabilitation ist die Gesamtheit aller Maßnahmen medizinischer, schulisch/pädagogischer, beruflicher und sozialer Art, die erforderlich sind, um für den [Anwender] die bestmöglichen körperlichen, seelischen und sozialen Bedingungen zu schaffen. [Diese sollen ihn unterstützen und befähigen möglichst eigenständig und ohne fremde Hilfe seinen Platz in der Gesellschaft zu finden.]“ (Quelle: Weltgesundheitsorganisation, WHO)
“Die Amputation ist der Anfang einer Therapie, nicht das Ende.”
Sir Reginald Watsen-Jones, 1902–1972
Nach der Amputation sollte interdisziplinär entschieden werden, wann und wie der beste Zeitpunkt für eine Rehabilition in einer Rehafachklinik ist. Hier sollten sich Dein Arzt, Dein(e) OrthopädietechnikerIn und vor allem das Entlassungsmanagement individuell auf Deine Situation und Dein Ziel abstimmen. Fakt ist: Die Rehabilitation nach einer Amputation braucht Zeit – gib sie Dir! Die Dauer hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Operationsursache, Deinem Alter, der Art des Rehabilitationsprogramms und zu einem großen Teil auch von Deiner Eigenmotivation und aktiven Teilnahme.
"Teilhabe, ein selbstbestimmtes Leben, die qualitativ hochwertige technische Versorgung, Behandlung durch ein erfahrenes und leitungsfähiges Team, orientiert an den Wünschen und Bedürfnissen der amputierten Rehabilitanden, sind die Kernpunkte einer zielführenden Rehabilitation."
Dr. Stefan Middeldorf leitet seit vielen Jahren als Chefarzt eine Rehabilitationsklinik in Bad Staffelstein/Oberfranken, die sich seit über 20 Jahren insbesondere auch der Rehabilitation von Amputierten und der Schmerztherapie widmet.
Im Akutkrankenhaus
Die post-operative Rehabilitation startet bereits im Akutkrankenhaus. Unmittelbar nach der Operation haben die Stabilisierung des Gesundheitszustands, die Wundheilung und die Stumpfformung oberste Priorität.
Wundheilung
Es ist sehr wichtig, dass die Stumpfverbände und der Wundverband korrekt angelegt werden. Dies gilt sowohl bei Amputationen der oberen als auch der unteren Extremität. Anfangs ist der Stumpf als Reaktion auf den schweren Eingriff noch großflächig angeschwollen. Die Schwellung, die eine normale Reaktion auf den Eingriff ist, bezeichnet man auch als Ödem. Eine Drainage sorgt aber dafür, dass Wundflüssigkeit und Blut abfließen können und sich das Ödem zurückbilden kann. Sie wird noch während des Heilungsprozesses wieder entfernt.
Kompressionstherapie
Ist die Wunde ausreichend abgeheilt und gibt es keine Komplikationen, beginnt so schnell wie möglich eine Kompressionstherapie. Durch die Kompressionstherapie wird Dein Stumpf vor äußerer und innerer Krafteinwirkung geschützt, die Ausdehnung des Ödems reduziert und der Stumpf geformt. Zudem führt der Druck meist zu einem Gefühl der Sicherheit und kann schmerzlindernd wirken. Ziel ist es, die Schwellung des Stumpfes weiter zu reduzieren und die Durchblutung zu fördern. Darüber hinaus geht es um die Formung des Stumpfes sowie die Vorbereitung auf die Prothesenversorgung. Hierbei sollten elastische Binden, Kompressionsstumpfstrümpfe oder Silikonliner zum Einsatz kommen. Letztere werden auch als Post-OP-Liner bezeichnet. Elastische Verbände werden mit einer speziellen Wickeltechnik angelegt, nachdem der Wundverband oder Stumpfverband entfernt wurde. Der Kompressionsverband wird häufig bereits zu Beginn entfernt. So kann sichergestellt werden, dass die Kompression nicht zu fest oder zu locker gewickelt wurde.
Lagerung
Das Pflegepersonal wird darauf achten, dass Du nach der OP möglichst schmerzfrei liegst. Lass Dir beim Umlagern ruhig helfen. Die medizinisch richtige Lagerung Deines Stumpfes ist ebenso wichtig, um Muskelverkürzungen und Gelenkversteifungen vorzubeugen, die Blutzirkulation zu unterstützen, den Lymphabfluss (Ödemreduzierung) zu fördern und Schmerzen zu reduzieren. Die Pflegekräfte werden zwar darauf achten, dass der Stumpf richtig gelagert ist, allerdings solltest Du langfristig auch selber darauf achten, Deinen Stumpf flach zu lagern.
Bei einer Armamputation sollte zum Beispiel der Ellenbogen gestreckt sein, da das Liegen im Bett mit gebeugtem, auf der Brust liegendem Ellenbogen zu einer Kontraktur (Muskelverkürzung) des Gelenkes führen kann Für die Aufrechterhaltung des Bewegungsumfangs sind Aktivität und Bewegung besonders wichtig, wobei auch Dehnübungen hilfreich sind. Insbesondere dann, wenn jemand bettlägerig ist. Ein(e) Physio- oder ErgotherapeutIn kann bei der Erstellung eines Bewegungs- und Aktivitätsprogramms unterstützen.
Bei einer Unterschenkelamputation solltest Du den Stumpf beispielsweise im Sitzen unterstützen und das Knie gerade halten – etwa durch eine Stumpfauflage im Rollstuhl. Gebeugte bzw. angewinkelte Positionen gilt es generell zu vermeiden:
- nicht auf dem Griff der Krücke ablegen,
- nicht aus dem Bett heraushängen lassen,
- nicht das Knie beim Sitzen auf dem Bett anwinkeln (z.B. keine Rolle unter das Knie legen).
Physiotherapie/Ergotherapie
Nach dem Eingriff dienen erste physiotherapeutische Übungen dazu, Dich zu mobilisieren.
Nach einer Armamputation
wird Dir Dein Therapeutenteam beibringen, wie Du Dich im Bett bewegen und einfache Übungen durchführen kannst, die eine Versteifung oder einen Bewegungsverlust Deines Gelenks verhindern In dieser Phase geht es vor allem darum, die grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs) zu üben. Hierzu gehören alle Tätigkeiten, die mit der Nahrungsaufnahme (selbstständiges essen) und der Körperpflege (waschen & anziehen) zu tun haben. Muskeln und Gelenke des betroffenen Armes - zum Beispiel das Schultergelenk - müssen gedehnt werden, damit Du Deine maximale Gelenkbeweglichkeit wiedererlangst.
Der Verlust einer Gliedmaße führt zu einem Ungleichgewicht und kann so zu einer asymmetrischen Körperhaltung führen. Kräftigungsübungen der Rückenmuskulatur tragen zu einer ausgeglichenen Körperhaltung bei.
Nach einer Beinamputation
wird es Dir voraussichtlich zunächst schwerfallen, Dich selbstständig aufzurichten, in den Rollstuhl oder gar in den Stand zu kommen. Auch Gleichgewichtsprobleme sind völlig normal. Du wirst unter Anleitung lernen, Dich vom Bett in den Rollstuhl zu bewegen oder erste Steh- und Gehübungen zu absolvieren. Scheu Dich nicht, nach Unterstützung zu fragen, wenn Du Hilfe benötigst. Auch Hilfsmittel wie Geh- und Aufstehhilfen können anfangs sinnvoll sein. Sprich hierzu gerne mit Deinem Versorgerteam (Mediziner:in, Pflegepersonal, Therapeut:in oder Orthopädietechniker:in) darüber und lass Dich beraten, welche Hilfsmittel für Dich in Frage kommen.
Die primären übergreifenden Rehabilitationsziele dieser Phase sind die Förderung des Wundverschlusses und die Aufklärung der Patienten:innen und deren Angehörige Familie. Behandlungsaspekte dieser Phase berücksichtigen die umfassende ergotherapeutische Befundaufnahme, Wundheilung, Ödemkontrolle, Desensibilisierung und Narbenbehandlung, Schmerzkontrolle, Erhalt der Beweglichkeit, Kontrakturprophylaxe und die psychologische Unterstützung. Zu den grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs) dieser Phase gehören die Tätigkeiten, die mit der persönlichen Körperpflege zu tun haben.
Ein stabiler und ausbalancierter Rumpf erleichtert die Kontrolle über die Prothese.
Prothetische Interimsversorgung
Abhängig vom Verlauf der Wundheilung bestimmt der behandelnde Arzt in Absprache mit Deinem/Deiner OrthopädietechnikerIn den richtigen Zeitpunkt für die Anpassung der ersten Prothesenversorgung. Lassen Wundheilung und der Zustand des Stumpfes es zu, kann in manchen Fällen bereits im Krankenhaus eine Interimsversorgung mit einer sogenannten Interimsprothese erfolgen. Die Interimsprothese ist der erste Schritt der komplexen Prothesenversorgung. In der Interimsphase wird die Prothese hinsichtlich Adaptierung an Stumpf, Schaftform, Statik und Passteilauswahl stetig an Deine körperliche Entwicklung angepasst.
Verlegung in die Rehaklinik
Eine Verlegung in eine spezialisierte Rehabilitationsklinik ist erst dann sinnvoll, wenn die Wundheilung weitgehend abgeschlossen ist. Denn erst dann können alle weiterführenden Versorgungen erfolgen. Bei einem normalen Krankheitsverlauf ist das meist 2 bis 4 Wochen nach der OP der Fall. Bitte beachte, dass Du Anspruch auf eine Reha hast und der Antrag auf die Reha durch den Arzt/ die Ärztin bzw. durch den Sozialdienst/ das Entlassungsmanagement des Krankenhauses erfolgt. Der Zeitpunkt der Rehabilitation sollte auf Dich und Deine Situation und mit Deinem Arzt/Deiner Ärztin, TechnikerIn und dem Entlassungsmanagement sowie Deinem Kostenträger (z.B. Krankenversicherung) abgestimmt sein.
In der Rehabilitationsklinik
Um den bestmöglichen Therapieerfolg zu gewährleisten, sollte die Reha durch ein multi-professionelles Team stationär in ausgewiesenen Rehabilitationszentren stattfinden. So lassen sich die physischen und psychischen Herausforderungen nach der Amputation am besten meistern.
Grundsätzlich entscheidet der Kostenträger (Krankenversicherung, Rentenversicherung oder Unfallversicherung), welche Klinik in Frage kommt. Die Auswahl der Klinik sollte interdisziplinär in Absprache mit dem Entlassungsmanagement, Deinem Arzt und Deinem Techniker erfolgen. Letzterer ist ganz entscheidend, da er Dich sehr eng in der Rehabilitationsklinik betreuen sollte, um die Interimsprothese Deinem Entwicklungsstand stetig anpassen zu können. Als AnwenderIn kannst Du aber durch Eigeninitiative oft positiv Einfluss auf Deine Wunschklinik nehmen.
In ausgewiesenen Rehabilitationszentren arbeitet ein ganzes Spezialisten-Team mit Dir gemeinsam daran, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Doch wer ist eigentlich wofür verantwortlich?
Ärzte
- für den gesamten Reha-Prozess
- für die Führung und Koordination der Behandlung
- für die Verordnung der geeigneten prothetischen Versorgung
- für die Behandlung und Kontrolle der Stumpf- und Wundverhältnisse
- für die Schmerztherapie
- für die Verordnung evtl. weiterer notwendiger Hilfsmittel
Pflegekräfte
- für die Wund- und Stumpfpflege
- für die korrekte Stumpflagerung zur Verhinderung von Muskelverkürzungen
- für die Schulung der richtigen Wickel- oder allg. Kompressionstechnik des Stumpfes
- für die Schulung von An- und Ausziehen der Prothese (ggf. in Zusammenarbeit mit Ergotherapeut und/oder Physiotherapeut)
- für Aktivierung und Transfer
Physiotherapeut:innen
- für Übungen zur Kräftigung & Mobilisierung sowie Gleichgewichts- und Koordinationsübungen
- für Prothesengehschule nach der Beinamputation
- für das Prothesenhandling (An- und Ausziehen)
Orthopädietechniker:innen
- für die Beratung der geplanten Prothesenversorgung und deren Komponenten
- für die Herstellung und Wartung der Prothese
- gemeinsam mit dem Rehabilitationsteam für die Abstimmung von Neuverordnungen bzw. Änderungen zur Ermittlung der Mobilitätsklasse
- für die stetige Anpassung der Prothese, besonders während der Interimsphase
Physikalischer Therapeut bzw. Masseur
- für die physikalische Therapie
- für die Massage, wenn notwendig
- für Lymphdrainage, wenn notwendig
- für die Elektro-Myo-Stimulation einzelner Muskeln, wenn notwendig
Sporttherapeut:innen
- für das Training an Fitnessgeräten
- für die Kräftigung der erhaltenen Extremität und der Rumpfmuskulatur
- für ein allgemeines Herz- und Kreislauftraining
Ergotherapeut:innen
- für eine fachgerechte Versorgung mit technischen Hilfen
- für das Training alltäglicher Aktivitäten
- für die behindertengerechte Anpassung des Wohn- und Arbeitsumfeldes
- für das Training im Umgang mit den verordneten Hilfsmitteln im Alltag
Psycholog:innen
- für eine psychologische Beratung
- für die Begleitung zurück ins Leben
- z. B. für eine Raucherentwöhnung
Du selbst
WICHTIG!
DU spielst im gesamten Prozess die entscheidendste Rolle! Deine Eigenmotivation und aktive Beteiligung nehmen erheblichen Einfluss auf Deine physische und psychische Genesung sowie Deine Entwicklung.
Ziele der stationären Reha
Die bestmögliche gesundheitliche, soziale und berufliche Wiedereingliederung ist stets das oberste Ziel einer stationären Reha. In der Klinik erfährst Du beispielsweise alles über die richtige Stumpfpflege und den Umgang mit Deiner Prothese. Neben einer physiotherapeutischen Behandlung lernst Du, mit Beinprothese zu gehen und zu stehen bzw. Deine Armprothese im Alltag einzusetzen. Darüber hinaus ist auch eine psychologische Begleitung wichtig. Die konkreten Ziele variieren individuell und hängen von unterschiedlichen Faktoren ab, wie z.B. Alter, Amputationshöhe & -ursache sowie Deinem physischen und psychischen Allgemeinzustand.
Dein Reha-Potenzial und Deine Reha-Ziele werden vom Reha-Team gemeinsam mit Dir ermittelt und definiert.
Die 3 Phasen der Rehabilitation
Die stationäre Reha nach einer Arm- oder Beinamputation erfolgt in der Regel in 3 Stufen, wobei die Übergänge fließend sind. Das Gesamtkonzept, der Ablauf der Phasen sowie deren Dauer und die Schwerpunkte, werden natürlich individuell auf Dich abgestimmt. Wichtig ist, dass Du dem Behandlungsplan Deines Teams folgst.
Phase 1
- Physiotherapeutische Behandlung: Körperschulung, Muskelaufbau, Bewegungstherapie
- Stumpfbehandlung: Stumpfpflege & -formung, Belastungssimulationen (Abhärtung)
- prothetische Interimsversorgung
Phase 2
- Armamputation
Prothesengebrauchstraining und wiederholtes Üben zur Generalisation von Greifmustern - Beinamputation
Intensive Gangschulung und stetige Verlängerung der Tragedauer der Prothese und der eigenständigen Gehstrecke - Optimierung der prothetischen Versorgung
- Gemeinsamer Austausch: Verarbeitung des Geschehenen durch Einzel- und Gruppengespräche unter psychologischer Leitung
Phase 3
- Simulation und Training von Alltagsbewegungen, wie z.B.: An- und Ausziehübungen, Bilaterale Tätigkeiten, Präzisionsgriffe, Gehen auf Ebenen, Treppen, Steigungen und Abhängen, Hindernisbewältigung, Aufstehen nach Sturz
- Herstellung der größtmöglichen Selbstständigkeit
- Beginn der Anpassung des Wohn- und Arbeitsumfeldes an die neue Lebenssituation
Physiotherapeutische Behandlung
Nach dem Eingriff dienen Körperschulung, Muskelaufbau und Bewegungstherapie der Mobilisierung, was Dich auf das Tragen der Prothese vorbereiten soll. Im ersten Schritt geht es vor allem um die Stärkung der Rumpf-, Bein- und Armmuskulatur. Hierbei ist auch der Erhalt und die Förderung der Gelenkbeweglichkeit und Kraftentfaltung der Muskulatur der betroffenen Extremität zwingend erforderlich.
Dein(e) TherapeutIn wird Dich anleiten und Dir geeignete Übungen zeigen.
Stumpfbehandlung
Kompressionstherapie
Die Kompressionstherapie wird im Verlauf der stationären Reha zur Formgebung des Stumpfes fortgesetzt.
Reinigung
Hautirritationen und -probleme können das Tragen der Prothese unangenehm bis unmöglich machen. Sie gilt es also zu vermeiden. Dafür ist nicht nur eine tägliche Reinigung der Prothese (Liner) unerlässlich, sondern auch eine abendliche, gründliche Reinigung des Stumpfes, der Narbenbereiche und Hautfalten. Dafür eignet sich eine pH-neutrale Seife ohne Parfümstoffe. Spezielle, auf die Haut von Prothesentragenden abgestimmte, Pflegeprodukte gibt es in Sanitätshäusern. Bei Problemen mit der Stumpfpflege oder der Reinigung im Narbenbereich ist ein Beratungsgespräch mit dem Hautarzt/Hautärztin (Dermatolog:in) oder Deinem:r Orthopädietechniker:in ratsam.
Pflege
Bis zur kompletten Verheilung vergeht oft mehr als ein Jahr. Nicht nur in dieser Zeit muss der Stumpf intensiv gepflegt werden. Regelmäßiges Cremen hilft Deiner Haut, zu genesen. Stimme die Auswahl der richtigen Creme mit Deinem Techniker ab. Wichtig ist, dass die Creme rückstandsfrei in die Haut einzieht, bevor Du den Liner anlegst. Im Idealfall cremst Du den Stumpf abends vor dem Schlafengehen ein.
Kontrolle des Stumpfes
Eine regelmäßige Kontrolle des Stumpfes hilft Dir, Hautprobleme rechtzeitig zu erkennen. Du solltest ihn zu Beginn immer dann kontrollieren, wenn Du den Verband abnimmst bzw. die Prothese ausziehst. Die Kontrolle funktioniert am besten mit einem Spiegel, denn so kannst Du den Stumpf von allen Seiten prüfen. Später sollte eine tägliche Kontrolle nach dem Waschen ausreichen. Sollten Reizungen, Druckstellen, Verletzungen oder andere Auffälligkeiten auftreten, wende Dich bitte schnellstmöglich an Deinen Arzt/Deine Ärztin oder OrthopädietechnikerIn.
Desensibilisierung
Nach der Amputation ist die Haut an der Amputationsstelle besonders empfindlich. Eine Desensibilisierung in der Heilungsphase hilft, dies zu reduzieren. Dein(e) TherapeutIn wird Dir die geeigneten Übungen zeigen.
Narbenmobilisation
Erst nach Absprache mit dem Arzt, um die Konsolidierung der genähten Weichteile zu ermöglichen!
In den meisten Fällen schließt sich die Operationswunde innerhalb der ersten drei bis vier Wochen und es bildet sich eine Narbe. Der Heilungsprozess der Narbe kann insgesamt aber 6-12 Monate dauern. In einigen Fällen verwächst das Narbengewebe mit dem weichen Gewebe und dem Knochen darunter. Dies kann beim Tragen einer Prothese zu Hautproblemen und Schmerzen führen. Das folgende Vorgehen hilft Dir dabei, die Haut und das Narbengewebe geschmeidig und voneinander getrennt zu halten. Dies kann etwas schmerzhaft sein, hilft aber dabei, zukünftigen Schmerzen und Hautproblemen beim Tragen der Prothese vorzubeugen. Die folgenden Desensibilisierungsübungen können auch Phantomschmerzen (Schmerzempfinden in einer amputierten Extremität) entgegenwirken. Die Narbenmassage sollte mit unparfümierten (!) Cremes oder einer speziellen Narbensalbe durchgeführt werden. Eine weiche und elastische Narbe erleichtert das Tragen einer Prothese.
Eine Kompressionstherapie in Kombination mit einer Silikonauflage ist ebenfalls möglich, um die Narbenbildung zu beeinflussen.
Setze zwei Finger auf einen knochigen Teil Deines Stumpfes und bewege sie kreisförmig, ohne dabei die Finger auf der Hautoberfläche zu bewegen. Dadurch wird die Haut vom Gewebe darunter getrennt. Wiederhole dieses Vorgehen in allen knochigen Bereichen Deines Stumpfes.
Spare bei Deiner Massage zunächst die genähten Bereiche und das nicht-verheilte Narbengewebe aus! Erst, wenn Deine Narbe verheilt ist, kannst du dieses Vorgehen zur Mobilisation des vernarbten Bereiches verwenden. Tue dies möglichst dreimal täglich für 15 bis 20 Minuten.
Prothetische (Interims-)Versorgung und Optimierung
Deine erste prothetische Versorgung beginnt ab dem Moment in dem Du Deine Interimsprothese erhältst. Dieser Zeitpunkt kann im Akutkrankenhaus, in der Rehaklinik, zu Hause oder im Pflegeheim sein. Bitte beachte, dass der erste Schaft immer temporär ist, weil sich die Form Deines Stumpfes - gerade in der ersten Zeit nach der Amputation - verändern wird. Aufgrund der Inaktivität verändern sich die anatomischen Gegebenheiten Deines Armes bzw. Beines, d.h. Muskeln werden schwächer, dünner und schmaler. Auch eine generelle Gewichtszunahme oder -abnahme führen zu Volumenänderungen im Stumpf. Zwar lassen sich solche Formveränderungen ausgleichen, doch irgendwann passt der erste Schaft nicht mehr und muss entsprechend von Techniker:innen angepasst, teils auch komplett neu gefertigt werden. Dies kann im Zeitraum nach der Operation sogar mehrfach erforderlich sein. Auch die weiteren Passteile der Interimsprothese werden durch den Orthopädietechniker:innen sorgfältig ausgewählt.
Prothesengebrauchstraining nach der Armamputation
Das Prothesentraining wird in die Phase vor Abgabe der Prothese (präprothetische Phase) und in die Phase des Trainings mit Prothese unterteilt werden.
Das Ziel der präprothetischen Phase ist es, Deinen Stumpf auf das Tragen einer Prothese vorzubereiten. Während dieser Zeit ist es wichtig, dass Du Deine Muskeln weiter kräftigst und Deine Beweglichkeit wiedererlangst. Zudem wird Dir das Therapeutenteam helfen, auch Deine kardiovaskuläre Fitness zu verbessern. Nach Amputation der oberen Extremität wirst Du viele Tätigkeiten neu lernen müssen. Sobald wie möglich, werden Therapeuten Dich ebenfalls darin unterstützen, Feinmotorik und Geschicklichkeit der verbliebenen Hand zu verbessern. Je sicherer Du bei der Ausführung von Alltagsaktivitäten wie z.B. Nahrungsaufnahme, Schreiben oder Mundhygiene bist, desto leichter wirst Du in der Lage sein, wieder für Dich selbst zu sorgen.
Nachdem Du Deine Prothese erhalten hast, erfolgt das eigentliche Prothesentraining. Dies beinhaltet Übungen mit der Prothese, wie beispielsweise die Annäherung an ein Objekt, gezieltes Greifen und Loslassen von Gegenständen und erlaubt es Dir, Kontrolle über die Prothese und ihre Komponenten zu gewinnen. Durch wiederholtes Üben mit der Prothese, lernst Du einzelne Griffmuster und ihre Verwendung im Alltag kennen. Während des fortgeschrittenen Trainings wirst Du lernen, die Prothese bei komplexeren und für Dich wichtigen Bewegungsabläufen einzusetzen und so auch beide Hände zu gebrauchen. Wichtig ist es, dass Du ein Bewusstsein für Deine Körpersymmetrie und ergonomische Bewegungen entwickelst. Dies ist wichtig, um Überlastungsbeschwerden der nichtamputierten Extremität zu vermeiden. Deine Therapeut:innen werden Dich hierbei unterstützen.
Gangschulung nach der Beinamputation
Nach einer Amputation musst Du erst einmal lernen, mit Deiner Prothese zu stehen und erste kleine und kontrollierte Schritte zu machen. Auch das Vertrauen in die prothetische Versorgung ist ein Lernprozess. Gerade Strecken gehen, Treppen steigen, Schrägen bewältigen, sich setzen und wieder aufstehen oder Hindernisse überwinden – all diese Aktivitäten können gerade anfangs eine ganz schöne Herausforderung sein. Doch in der Rehaklinik gibt es Trainingsmöglichkeiten, um die verschiedensten Situationen zu üben – wobei Dich Dein Therapeutenteam unterstützt. Da es deutlich schwieriger ist, sich später von falschen Bewegungsmustern zu verabschieden, ist es besonders wichtig, dass Du unmittelbar zu Beginn mit einem frühen Gehtraining unter Anleitung startest. Dieses erfolgt durch geschulte Therapeut:innen oder Orthopädietechniker:innen. Bitte lass Dich nicht von Rückschritten oder Schmerzen entmutigen – die gerade in den ersten Monaten nach der Operation auftreten. Jetzt heißt es durchhalten! Dein/e TherapeutIn wird Dir dabei helfen schnelle Fortschritte zu machen. Um Deine Mobilität zurück zu gewinnen, ist es enorm wichtig, dass Du die vom Therapeutenteam empfohlenen Übungen regelmäßig durchführst. Mit zunehmender Trainingszeit und Übung wird das Gehen Schritt für Schritt wieder angenehmer.
Psychologische Begleitung
Mit der Amputation verliert man ein Körperteil und damit einen Teil von sich. Deshalb geht es in der Rehabilitation nicht nur um Deine physische, sondern auch um Deine psychische Genesung. Emotionen wie Ängste, Sorgen, Zweifel, Wut, Aggression und Trauer können sehr intensiv sein und sind Teil des Heilungsprozesses. Um mit Deiner neuen Situation zurechtzukommen und das Erlebte zu verarbeiten, hilft eine professionelle psychologische Begleitung. Dazu hole Dir Unterstützung von Psychotherapeuten, die Dich auf Deinem Weg begleitend unterstützen. Darüber hinaus ist der Austausch mit der Familie und mit Freunden sowie mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oft sehr hilfreich.